In der Luft

Fliegst du noch oder schwebst du schon?

Muskelgetriebene Flugzeuge (Human Powered Aircraft (HPA)) sind gewiss die technisch ausgeklügeltsten Fahrzeuge unter den HPVs. Im Hinblick auf Aerodynamik, Gewicht und Effizienz der Energiennutzung ist der Spielraum besonders klein, damit sich das Flugzeug in die Luft erheben kann. Immerhin gelang auf diese Art schon der Überflug des Ärmelkanals und – der antiken Sage von Ikarus folgend – der Flug zwischen den griechischen Inseln Kreta und Santorini (116 km)…

Die Anfänge des Fliegens mit Muskelkraft reichen bis in die Antike zurück. Bereits Daedalus soll mit selbstgebauten Flügeln aus Federn und Wachs seinem Gefängnisentkommen sein. Sein Sohn Ikarus hielt sich dabei nicht an die Bestimmungen zurDurchfürung des Luftverkehrs (Überschreitung der maximalen Flughöhe),kam der Sonne zu nahe und stürzte ab.

Auch Leonardo da Vinci zeichnete Flugmaschinen, die jedoch wie alle Konstruktionenfrüherer Zeit den Vogelflug kopierten und so mit den Armen angetrieben werden sollten.Erst spät kam man zu der Erkenntnis, daß eine Schlagbewegung der Flügeleine zu schwere Konstruktion erfordern würde und zweitens die leistungsfähigstenMuskeln des Menschen in den Beinen liegen.

Die Erfüllung dieses alten Menschheitstraums gelang jedoch erst am Ende des 19. Jahrhunderts, als Otto Lilienthal mit einem von ihm konstruierten Gleiter denersten Segelflug absolvierte. Aufgrund der fortschreitenden Entwicklung stärkererVerbrennungsmotoren gelang 1903 in Amerika den Brüdern Wright der erste Flug miteiner angetriebenen Flugzeug.

Mit der Entwicklung hochwertiger Leichtbauwerkstoffe wurde es schließlich möglich, Flugmaschinen so leicht zu bauen, daß sie sich durch menschliche Muskelkraft in der Luft halten können.

1959 setzte der britische Industrielle Henry Kremer mehrere Preise zur Förderungdes Muskelkraftfluges aus. Beinahe zwanzig Jahre verliefen alle Versuche erfolglos. 1977 dann gewann der amerikanische „Gossamer Condor“ den ersten Kremer-Preis für eine geflogene Acht um zwei 800 m auseinander stehendePfähle. 1979 flog des Nachfolgemodell „Gossamer Albatross“ in 2 Stunden 49 Minuten über den Ärmelkanal und gewann damit denzweiten Kremer-Preis. Die „Gossamer“-Serie wurde von einem privatenTeam um den Amerikaner Paul MacCready entwickelt und gebaut.

Weitere Preise wurden vom Monarch, der Bionic Bat und den deutschen Musculair Iund Musculair II gewonnen. Der Musculair des Teams um Günter Rochelterhöhte dabei den Geschwindigkeitsrekord auf beinahe 50 km/h.

Der amerikanische „Michelob Light Eagle“ war einer der Versuchsträgerfür den „Daedalus“, der 1988 symbolisch den Flug von Daedalus und Ikarus wiederholte. Dabei flog er 117 km von Kreta nach Santorin.

Obwohl Konstrukteur Paul McCready Flüge von bis zu sieben Stunden für möglichhält, haben muskelkraftgetriebene Fluggeräte bisher keine Verbreitunggefunden. Der Grund dafür ist die extreme Anfälligkeit der leichten Konstruktionen gegen Windböen, so daß sie nur unter besonders günstigenWetterbedingungen geflogen werden können.

Es ist übrigens noch ein Kremer-Preis für den ersten Flug eines Wasserflugzeuges ausgesetzt…

Wettbewerbe

Von uns fast unbemerkt, fand in 2014 Südkorea die Human Power Aircraft Competition statt, eine Veranstaltung mit menschenkraft-getriebenen Flugzeugen (human powered aircraft) statt. Auf Youtube gibt es einen Film darüber.

Vom selben Filmer gibt es auch ein Video aus dem Vorjahr. (Und sicher auch aus den Folgejahren – wenn nur nicht alles in Koreanisch wäre ….) Vielen Dank an unsere niederländischen Freunde für den Hinweis.

Zum 60. Jahrestag des ersten Fluges mit Muskelkraft vom 9. Nov. 1961 durch die „SUMPAC“ von Studenten der Universität von Southampton sollte im September 2022 ein Rennen von „Tretflugzeugen“ über den englischen Kanal statt finden. Wie bei so vielem hat auch hier Corona für eine Terminverschiebung gesorgt – das Rennen soll jetzt im August 2023 steigen.
Also noch genug Zeit, über den Winter den alten Flieger im Keller wieder fit zu machen!